Stellungnahme des Kirchenvorstands zum Aufhängen der Regenbogenfahne an der Stadtkirche St. Marien
Der Kirchenvorstand der Ev.-Luth. Kirchgemeinde hat in seiner Sitzung am 9. April beschlossen, einen Ausdruck der Solidarität mit nach wie vor bedrängten Menschen zu geben. Darum wird rings um den 17. Mai, dem Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie und zum vom CSD Pirna 2024 organisierten 13. Christopher-Street-Day in Pirna, die Regenbogenfahne an der Marienkirche hängen. Phobie heißt Angst. Die Angst vor dem für viele Andersartigen, wie Menschen sich empfinden und ihr Leben gestalten, ist immer dann falsch, wenn daraus keine Bedrohung des eigenen Lebensraums resultiert. Darum ist Angst, erst recht geschürte Angst vor Menschen, deren Geschlechtsidentität anders ist als meine eigene, nicht hilfreich. So wenig aufbauend ist die Angst vor anderssprachigen Menschen oder gar der Hass auf Menschen, die sich im demokratisch-politischen Spektrum für andere Positionen als unsere eigenen einsetzen. Angst lähmt und führt zu Abgrenzung, im schlimmsten Fall zur Ausgrenzung und sogar zur Gewalt. All dem ist es wichtig, ein Zeichen entgegenzusetzen, denn unser christlicher Glaube lehrt uns: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Timotheus 1,7)
Die Regenbogenfahne ist dafür ein gutes Zeichen. Sie drückt unsere menschliche Vielfalt aus. Sie lädt uns ein, die unterschiedlichen Färbungen unseres Lebens zusammenzuhalten, findet kein Spektrum für eine braun-rassistisch-abwertende Prägung und ist auch ein christliches Bild dafür, dass für Gott diese Welt so bunt, vielfältig und ja sogar fehlerhaft sein sollte, wie wir Menschen sind (Genesis 9,17). Als Kirchgemeinde haben wir damit auch darauf reagiert, dass die Regenbogenfahne nicht mehr, wie in all den Jahren davor, an Masten wehen darf, die in der Verantwortung der Stadtverwaltung Pirnas liegen.
All dies ist für uns eine gute Begründung, in diesen Tagen die Regenbogenfahne erkennbar wehen zu lassen. Darüber hat die SZ schon vor der Zeitungsveröffentlichung am Montag, 6. Mai, online berichtet.
Der Oberbürgermeister unserer Stadt hat daraufhin einen Kommentar als Privatperson veröffentlicht, der Linien aus der Zeit des Nationalsozialismus hin zu diesem gesellschaftlichen Engagement unserer Gemeinde heute zieht.
Dies ist schwer erträglich und inhaltlich falsch. Die evangelische Kirche hat die Fehler von Teilen ihrer Institution während der Jahre zwischen 1933 und 1945 erkannt und bereut. Sie hat sich dazu in der Stuttgarter Schulderklärung am 19. Oktober 1945 bekannt und darin formuliert: „Wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.“
Eben diesen Fehler wollen wir heute nicht wieder begehen und wollen „mutig bekennen“, dass Offenheit und Toleranz zu unserem Grundverständnis gehören. Schon in der „Barmer Theologischen Erklärung“ vom 31. Mai 1934 haben glaubende Christen deutlich gegen den schlimmen, bösen und tödlichen Ausgrenzungswillen des Führerstaats opponiert. Für viele von ihnen, wie Dietrich Bonhoeffer, bedeutete dies das Todesurteil. Gerade darum ist es heute Bekenntnisgrundlage unseres Glaubens und ist so im Gesangbuch unserer Kirche nachzulesen. Wir werden dies als Geschenk an die Bibliothek des Oberbürgermeisters geben.
Wir hoffen, dass dieses Geschenk hilft, die Fronten zu entschärfen. Wir suchen als Gemeinde wirklich „das Beste für die Stadt“. Wir wollen konstruktiv, mit unseren Mitteln und unserem Gesprächsraum helfen, dass Pirna nach wie vor eine lebens- und besuchenswerte Stadt ist und bleibt. Wir sind aus unserem Selbstverständnis heraus daran interessiert, dass unter den Menschen hier eine freundliche, gelassene und zugewandte Gesprächskultur existiert, in der man über inhaltliche Unterschiede gerne heftig streiten kann.
Darum wollen wir zukünftig nicht öffentlich auf öffentliche Äußerungen reagieren müssen. Der Telefonhörer für ein persönliches Gespräch liegt nur eine Hand weit entfernt. Wir werden abnehmen oder auch zurückrufen. Versprochen!
Der Kirchenvorstand der Ev.-Luth. Kirchgemeinde Pirna