An(ge)dacht
Liebe Besucherinnen und Besucher unserer Netzpräsentation,
Entscheidungen treffen wir täglich. Kleinere meist unbewusst, größere erst nach reiflicher Überlegung. Und doch bleibt oft ein Rest an Unsicherheit. Schließlich wollen wir nicht nur das Gute, sondern möglichst das Beste. Doch vieles ergibt sich erst im Nachhinein. Längst nicht immer erkennen wir, ob unsere Entscheidung richtig oder falsch war. Außerdem ist das doch auch Ansichtssache, oder?
Paulus legt der jungen Gemeinde in Thessalonich, dem heutigen Thessaloniki, ans Herz: „Prüft alles und behaltet das Gute!“ Diese Aufforderung ist durchaus herausfordernd für eine junge Gemeinde. Denn diese war verschiedenen Einflüssen ausgesetzt. Wie auch Paulus selbst, der aus Thessalonich fliehen musste. In seinem vermutlich ältesten Brief überwiegen zu Beginn Erleichterung und Freude darüber, wie reich Gott die Gemeinde beschenkt hat und Gottes Geist in ihr und durch sie wirkt. Es folgen Ermutigungen und auch Ermahnungen, die gegen Ende des Schreibens darin münden: „Prüft alles und behaltet das Gute!“ Gar nicht so einfach!
Denn das bedeutet, dass meine Ansichten, mein Glaube und die Art und Weise, ihn zu leben, immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden müssen. Von mir selbst sowie auch von anderen in oft heftigen und doch fruchtbaren Gesprächen. Auch von Gott, dem offensichtlich daran liegt, dass mein Glaube und meine Beziehung zu ihm nicht erstarren, sondern lebendig bleiben. Und immer stellte und stellt sich die Frage nach dem Unaufgebbaren, nach dem verlässlichen Fundament, das mir Halt gibt.
Ich finde diesen Rat des Paulus ungemein offen und weit. Er ermutigt mich zunächst einmal, vorurteilslos Ansichten, Einstellungen und Glaubensausrichtungen anzuschauen, um sie für mich selbst als angemessen annehmen zu können – macht mich offen für neue Erkenntnisse oder nötige Perspektivwechsel. Auf der anderen Seite ist es auch eine Herausforderung, nochmal auf das zu schauen, was mir selbst vielleicht als nicht hinterfragbar gilt. Ist das wirklich so, oder habe ich es mir nur bequem gemacht in einer Ansicht, einer Haltung, die vielleicht mal ganz gut passte, jetzt aber am Leben vorbeigeht? Im Schlimmsten an den Bedürfnissen anderer vorbeigeht. Denn dann ist es ganz gewiss nicht gut.
Zwei Dinge fallen mir an dem kurzen Satz besonders auf und machen ihn mir wichtig. Das ist zum ersten die Anrede in der Mehrzahl. Es ist also wohl ein aushandeln im Miteinander. Eine Prüfung im Gespräch, im Austausch. Und vielleicht ist es eine Stärke des Satzes, dass er das Schlechte nicht identifiziert. Er baut somit auch keine Feindbilder auf, an denen man sich abarbeiten kann. Er orientiert sich an dem Guten, was nicht einfach offensichtlich da ist, das man vielmehr finden muss.
Die Künstlerin Stefanie Bahlinger veranschaulicht diesen Prüfprozess mit einem Sieb, welches die Werte sortiert – jeder Stein steht für unterschiedliche Ansichten und Lebensweisen. „Prüft alles“ ermutigt uns dazu, neuen Ideen offen gegenüberzustehen sowie gesellschaftliche Entwicklungen sowohl offen, wie auch kritisch zu betrachten. Es geht darum, Gottes Willen inmitten vielfältiger Meinungen zu erkennen und sich nicht von negativen Erfahrungen leiten zu lassen. Paulus beschreibt Verhaltensweisen wie Freude, Gebet und Dank als Teil des Guten. So wird seine Aufforderung zu einer Einladung dafür, unseren Glauben lebendig zu halten. Paulus verankert den Glauben damit dreifach: In der Verbindung zu Gott und dem Fragen nach seinem Willen. In der sich um uns herum verändernden Welt. Und im Austausch, den wir mit anderen suchen sollten.
Es kann eine wirklich befreiende Aufgabe für das nun schon begonnene Jahr sein: Leben zu üben. Und wie bei jedem Üben, nicht an den Fehlversuchen zu verzweifeln. Dabei in den Übungsgruppen, die das Leben in Familie, Freundeskreis, Gemeinde und Gesellschaft bietet, einander beizustehen, Misslungenes nicht mit Häme abzuwerten, sondern mit liebenden Augen darauf zu schauen, warum etwas schief gelaufen ist.
Für Paulus steht fest, dass wir dafür einen unübertrefflichen Übungsleiter haben. Gott selbst hat durch sein Kommen in die Welt in seinem Sohn Jesus Christus gezeigt, dass ihm nichts, was diese unsere Welt an sich hat, fremd ist. Vor allem hat er damit aber auch gezeigt, dass bleibend in ihr ist, was gut ist. Das zu behalten, als dankbare Erinnerung, als Beispiel, wie es gehen kann, im Miteinander und als Hoffnungsbild für das zu Erwartende, dass dürfte die Königsdisziplin in allem Üben sein. So können wir uns auch in diesem Jahr darauf freuen, Leben zu üben.
Bleiben Sie darin behütet
Ihr Pfarrer Cornelius Epperlein
Monatsspruch Januar
Jesus Christus spricht:
Liebt eure Feinde;
tut denen Gutes,
die euch hassen!
Segnet die, die euch verfluchen;
betet für die, die euch beschimpfen!
Lukas 6,27-28 (E)
Grafik: Stefanie Balinger - Verlag am Birnbach
Dreieiniger Gott,
das würde ich so gerne, dir allein die Ehre geben,
dir in allem die Ehre geben.
Doch vieles hindert mich daran.
Am ehesten meine Gottvergessenheit.
Wenn ich nicht damit rechne, dass mein Leben für dich zählt,
mein oft so unscheinbares Tun von dir wertgeachtet wird.
So wert, dass es dir zur Ehre dienen,
dich groß machen kann.
Ehrlich gesagt, ertappe ich mich auch immer wieder dabei,
selbst glänzen und groß rauskommen zu wollen.
Nicht einmal das kann dich daran hindern, zu mir zu stehen.
Danke, dass du mir sortieren hilfst im Alltagswahnsinn
und mir nahe bist, wenn wichtige Entscheidungen anstehen.
Danke, dass du mir Orientierung schenkst, wo ich unsicher bin,
und Gelassenheit, wenn etwas schiefläuft.
Du stellst meine Füße auf weiten Raum.
Du bist der feste Grund, auf dem ich sicher stehe.
Dir allein die Ehre!
Amen.
Renate Karnstein